Insgesamt 230 Routen

Klettern an den Brauneckfelsen

csm_www.d-on-r.de_021_d-on-r.de_IMG_8103_d9cfe690e1_d7e08c7794

Insgesamt 230 Routen

Klettern an den Brauneckfelsen

Das Brauneck zieht in den schneefreien Monaten nicht nur Wanderer und Gleitschirmflieger in seinen Bann. Auch bei Sportkletterern sind die Brauneckfelsen äußerst beliebt. Mit insgesamt 230 Routen (fast) aller Schwierigkeitsgrade verwundert das nicht. Über 100 Routen wurden am Brauneck in den letzten Jahren neu erschlossen. Die IG Klettern, die das Brauneck auf ihren Internetseiten als Kletterkleinod in den Voralpen bezeichnet, hat kürzlich erst ihren Führer "Brauneck - Klettern am Lenggrieser Hausberg" neu aufgelegt. Einfach und bequem erreichbar sind die Routen mit der Brauneck Bergbahn. Von der Bergstation aus folgt man einfach dem Panoramaweg Richtung Stie-Alm.

Ein verborgenes Kletterparadies für herbstliche Abenteuer

Einen bequemeren Zustieg gibt es nicht: in 12 Minuten vom Tal bis kurz unter den Gipfel per Brauneckbahn

Ein verborgenes Kletterparadies für herbstliche Abenteuer

Mit spürbarer Begeisterung beschreibt auch Klara Palme, Autorin und leidenschaftliche Sportkletterin, das Kletterparadies am Brauneck:

Während Wintersportler im Herbst voller Vorfreude ihre Ski wachsen, bricht für uns Kletterer die nicht nur wettertechnisch eher trübe Jahreszeit an. Denn gerade in der Übergangszeit sind die Anforderungen an ein Klettergebiet besonders hoch: südseitig sollte es sein, mit guter Felsqualität und abwechslungsreichen Routen, möglichst schnell erreichbar und gut abgesichert, weil die Tage sehr kurz sind. Am besten weit oben, um über den Wolken und mit schöner Aussicht einen Hauch alpiner Freiheit zu spüren. Es bleibt die quälende Frage: wohin?

"Sportklettern am Brauneck", dem alten Lenggrieser Hausberg, gibt es dort überhaupt Felsen?" Lange Zeit wollten wir nicht glauben, dass es direkt vor unserer Haustür ein kleines Kletterparadies mit alpiner Kulisse geben soll. „In einem zweijährigen Erschließungsrausch wachgeküsst“, heißt es poetisch im Kletterführer, der über 250 abwechslungsreiche Routen verspricht. Es wird Zeit, dieses Gebiet genauer unter die Lupe zu nehmen.

Erst einmal die Finger aufwärmen. Vielleicht dort anfangen, wo auch die jüngere Erschließungsgeschichte des Klettergebietes begann, nämlich im Stie-Alm Kessel. Direkt hinter der bewirtschafteten Alm beginnt der Hauptsektor Wilderland mit einer Vielzahl an Routen aller Schwierigkeitsgrade im geneigten bis senkrechten Kalk. Nach ein paar leichten Routen steht fest: der Fels bietet gute Strukturen, griffige Leisten und hat eine super Reibung. Das Eis ist schnell gebrochen, auf zum nächsten Level! Ein Dach mit großen Griffen wie in Arakis (7+) dürfte ja kein Problem sein...oder? Auch der harmlos wirkende, aber ganz schön verzwickte Erste Ameisenweg (7-) und Same same but different (8-) sind ein echter Test für Fingerkraft und Ausdauer. Wo auch immer wir einsteigen, finden wir durchwegs schöne Linien. Das macht Lust auf mehr!

Herausfordernde Kletterrouten im Zirkuskessel

Klettervergnügen in bestem Kalk: „Fütter mein Ego“ (7) an der luftigen Wachturm- Ostkante

Herausfordernde Kletterrouten im Zirkuskessel

Auf dem Weg zum Zirkuskessel steht unübersehbar der Gamskopf, eine kleine Felsnadel mit Gipfel- Steinbock aus Beton. Der athletische Dach-Ausstieg von Laminator (7) ist Klettern vom Feinsten. Vor dem atemberaubenden Alpenpanorama entstehen ganz nebenbei auch schöne Kletterfotos. Der Gamskopf ist ein empfehlenswertes "Schmankerl" zum Abschluss oder einfach für zwischendurch.

Nicht nur für Geologen sehr interessant ist die grau- orange Felsformation der Zirkuswand. Was aus der Ferne brüchig aussieht, entpuppt sich nach klettertechnischer Erkundung als purer Spaß an Seitgriffen und Schuppen. Die senkrecht gestuften, aufeinander liegenden Felsschichten sind eine Herausforderung für Fußtechnik und Koordination. Von wegen Schuppenterror (6)! Selbst der lange Schneesturm (7) ist bei solch positiven Griffen ein wahrer Genuss.

Ein kleines Stück weiter im Sektor Balkon wartet gleich die nächste Überraschung: leichte Plattenkletterei an riesigen Wasserlöchern. Es sind wunderschöne Henkelparaden, wie zum Klettern gemacht. Von links nach rechts geklettert ist man wie ein Frosch im Kochtopf. So richtig Dampf im Kessel macht schließlich Chilli (8-) mit einem Piaz, der es in sich hat. Und wo wir schon beim Piaz sind, ist es auch zum Riss nicht mehr weit.

Risse lassen zwar nicht jedes Kletterer-Herz höher schlagen. Aber das könnte sich hier vielleicht ändern? Im Kalk sind schöne Risse eigentlich selten. Umso erstaunlicher, dass die Wände am Brauneck gleich mehrere tolle Riss- Verschneidungen bieten. „An Zirkusriss (7-) müsst‘s unbedingt maha…,“ so der Tipp eines Einheimischen. Das lassen wir uns nicht zwei Mal sagen. Wer es über die abdrängenden ersten Meter schafft, wird sich an einer traumhaften Riss-Verschneidung erfreuen - egal ob in Piaz- oder Klemmtechnik. Riss-Fans finden etwas westlich der Stie-Alm an der Felsnadel Herr Nilson im Sektor Taka Tuka Land mit dem Devil’s Crack (7) ein weiteres Highlight.

Abenteuerliche Kletterrouten und versteckte Highlights am Brauneck

Langsam tasten wir uns an etwas wildere Linien mit einem Hauch von Abenteuer heran. „Nichts für Plastikkletterer, muss man gemacht haben“, stichelt der Kletterführer bei der Beschreibung zur Route Furchtfurche (7/7+). Dass uns der Autor hier in ein kleines Test-Piece lockt, liegt auf der Hand. Dennoch, die Neugier siegt: was hat es wohl damit auf sich?! Der Einstiegskamin und der hängende Offwidth-Riss fordern bewegungstechnische Kreativität und Mut zur Lücke. Die kritische Frage ist immer wieder aufs Neue: innen oder außen klettern? Eine Entscheidung zwischen schmerzender Enge und gähnender Leere, oder einfach eine Frage der Technik. Es wäre wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass die Route auch für Kletterer höherer Schwierigkeitsgrade eine Herausforderung darstellt. Die Tour ist dennoch oder gerade deshalb absolut empfehlenswert. Wer sich Schwierigkeitstechnisch noch steigern möchte, dem sei Gula (9-) im Sektor Raubtierkäfig ans Herz gelegt. Die überhängende Riss- Verschneidung kann ganz schön einheizen.

Dies sind nur einige wenige der Kletter-Schmankerl, die über dem Isartal warten. Gemütlich von Fels zu Fels ziehend die schönsten Linien abgrasen. Das geht nicht nur im Herbst, sondern auch im frühen Winter und teils bis tief in den Dezember hinein. Es ist ein wahres Privileg, hoch über der trüben Nebeldecke noch einmal im T-Shirt kletternd die Sonne zu genießen. So haben wir das Brauneck als reizvolles Kletterziel kennen und schätzen gelernt. Ein Gebiet mit vielen kleinen Herausforderungen, in dem sich Felssüchtige wunderbar den Winter verkürzen können.